Rezession in Deutschland?
Mittwoch, 08.02.2023

Rezession in Deutschland?

Wir erklären den Begriff und ordnen die Situation ein

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Unter Freunden und Kollegen, in der Familie und an Stammtischen wird derzeit immer wieder über die wirtschaftliche Lage Deutschlands debattiert. Vor allem rätseln wir, wie hart ein möglicher Wirtschaftsabschwung uns alle treffen könnte. Der Begriff Rezession ist in aller Munde. Keine Frage, Deutschland befindet sich aktuell in einer schwierigen Lage: Während die Inflation im September 2022 auf den höchsten Stand seit 1951 stieg – im November gab es erste Anzeichen, dass sie langsam wieder zurückgeht –, schwächelt das Wirtschaftswachstum. Droht Deutschland nun eine Rezession? Und wenn ja: Könnte sie wirklich so schlimm werden wie ihr Ruf? Die Wirtschaftsforscher meinen: Ein Abschwung kommt, aber ein milder. Denn trotz der aktuellen Widrigkeiten ist Deutschlands Wirtschaft stabil. Im Folgenden erfahren Sie, was eine Rezession genau bedeutet, welche Folgen sie für Wirtschaft, Verbraucher und Anleger üblicherweise hat und wie die aktuelle Lage in Deutschland aussieht.

Was ist eine Rezession?

Es handelt sich um einen Begriff aus der Volkswirtschaftslehre. Gemeint ist der Rückgang der Konjunktur. Die Wirtschaftsleistung eines Landes sinkt oder anders ausgedrückt: Das Wirtschaftswachstum weist negative Wachstumsraten auf. Ob eine Wirtschaft schrumpft oder wächst wird am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen, dessen Werte in der Regel mit den Quartalszahlen des Vorjahres verglichen werden. Das BIP fasst als Kerngröße alle Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft zusammen, die innerhalb eines Jahres produziert oder in Anspruch genommen werden. Von einer Rezession wird gesprochen, wenn das BIP zwei Quartale hintereinander unter dem Vorjahreswert liegt.

Deutschland erwartet eine milde Rezession

Im vierten Quartal 2022 ging die Wirtschaftsleistung in Deutschland gegenüber dem Vorquartal zwar um 0,2 Prozent zurück, lag aber im Vergleich mit dem vierten Quartal 2021 noch im Plus. Per Definition steckt Deutschland also noch nicht in einer Rezession. Frühestens könnte das nach dem zweiten Quartal 2023 der Fall sein. Insgesamt hat das Jahr 2022 nun aber mit einem Wachstum um 1,9 Prozent überrascht. Trotz der hohen Energiepreise, der globalen Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine und der Probleme bei Materiallieferungen zeigt sich die deutsche Wirtschaft also erstaunlich robust. Einige DAX-Unternehmen haben im dritten Quartal 2022 sogar Rekordumsätze erwirtschaftet. Ein ähnliches Szenario wie bei der Finanzkrise 2009 (Konjunkturrückgang um 5,7 Prozent) oder beim Ausbruch der Pandemie im Jahr 2020 (Abschwung von 3,7 Prozent) ist also eher nicht zu befürchten. Aber, da sind sich die meisten Experten einig: Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Rezession. So ging die Bundesregierung im vergangenen Herbst noch von einem Rückgang der Wirtschaft um 0,4 Prozent aus. Jetzt wird aufgrund der positiven Jahresbilanz 2022 mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent im Jahr 2023 gerechnet. Dennoch dürften die Preissteigerungen den privaten Konsum in nächster Zeit dämpfen. Fazit: Eine Rezession, wenn sie denn kommt, wird vergleichsweise gering ausfallen und vor allem nicht lange andauern. Ab 2024 wird mit einem eindeutigen Aufschwung gerechnet: Das ifo Institut (Institut für Wirtschaftsforschung) prognostiziert, dass die Wirtschaftsleistung 2024 um 1,8 Prozent steigen und die Inflationsrate auf 2,4 Prozent sinken dürfte.

Nach dem Aufschwung ist vor dem Aufschwung

Die Rezession ist – nach der klassischen Volkswirtschaftslehre – eine von vier Phasen, die zum sogenannten Konjunkturzyklus gehören. Dieser Zyklus wiederholt sich in gewissen Abständen wellenartig: Von der Aufschwungphase (Expansion) zur Hochkonjunktur (Boom), hin zur Abschwungphase (Rezession) bis zum Konjunkturtief (Depression), um dann wieder in die Phase des Aufschwungs zu gleiten. Diese Phasen gehören zusammen wie Berg und Tal: Die Reihenfolge bleibt stets gleich, lediglich die Dauer der einzelnen Phasen variiert. Einen positiven Einfluss auf den Verlauf des Zyklus haben beispielsweise eine verstärkte Nachfrage der Privathaushalte, steigende Exporte oder eine Erhöhung öffentlicher Ausgaben. Negativ hingegen wirken sich reduzierte Staatsausgaben aus, eine rückläufige Investitionsbereitschaft oder sinkende Konsumentenausgaben.

Wie kommt es zu einer Rezession?

Es gibt verschiedene Theorien, um den Beginn eines Wirtschaftsabschwungs zu erklären. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass strukturelle Veränderungen eine Rezession auslösen können. Es wird auch von „realwirtschaftlichen Schocks“ gesprochen. Das können beispielsweise Pandemien, Handelseinschränkungen, Kriege oder Naturkatastrophen sein. Das ifo Institut veröffentlicht viermal im Jahr Konjunkturprognosen. Dennoch können keine verbindlichen Voraussagen getroffen werden, da sich die Auslöserschocks nicht vorhersehen lassen.

Mögliche Auslöser einer Rezession in Deutschland 

Forschung und Bundesregierung sind sich einig, dass die reduzierten Gaslieferungen aus Russland der „auslösende Schock“ waren, der die Konjunktur in Deutschland zum Ruckeln gebracht hat: Durch den Mangel sind die Energiepreise stark gestiegen. Das hat die Inflation  verschärft. Die Energiekrise bedeutet nicht nur höhere Energiekosten für die Bundesbürger, die daraufhin weniger konsumieren, weil sie ihr Geld zusammenhalten wollen. Sie führt auch zu höheren Kosten für die Unternehmen. Das Betreiben von Bürogebäuden beispielsweise oder eine energieintensive Fertigung sind durch den Anstieg der Energiepreise sehr viel teurer geworden. Diese Mehrkosten werden in der Regel über höhere Produktpreise an den Verbraucher weitergegeben. So breitet sich die Inflation auf sämtliche Bereiche aus. Hinzu kommen anhaltende Lieferkettenengpässe und Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung, die die Preise ebenfalls in die Höhe treiben. Das lähmt die Kauffreude der Konsumenten und schwächt die Konjunktur zusätzlich.

Welche Folgen hat eine Rezession?

Bemerkbar macht sich eine Rezession zunächst durch das Abnehmen des Konsums. Dann kommt eine Art Kettenreaktion in Gang: Die Unternehmen erwirtschaften geringere Gewinne, fahren die Produktion zurück und investieren weniger, sie führen Kurzarbeit ein oder kündigen Arbeitsplätze. In der Folge sinkt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Wirtschaftsleistung des Landes nimmt ab. Einige Unternehmen, die zu wenig Geldpuffer haben, führt das in die Insolvenz. An der Börse fallen in Erwartung einer Rezession bereits im Vorfeld die Kurse. Die Folgen eines Wirtschaftsrückgangs beschleunigen den Trend in der Regel sogar noch: Durch Entlassungen sinken die Einkommen, die Menschen können sich weniger leisten, die Kaufbereitschaft nimmt noch stärker ab und die Unternehmensumsätze schrumpfen weiter. Normalerweise werden dann die Produkte wieder billiger und die Zentralbanken reagieren mit Zinssenkungen, um den Konsum und die Konjunktur wieder anzukurbeln.

Wie kann eine Rezession bekämpft werden?

Zum Glück gibt es Mittel und Wege, eine Rezession in den Griff zu bekommen und deren Folgen abzumildern. In der Regel greifen Staat und Zentralbank ein. Während die Zentralbank nur Einfluss auf den Leitzins hat, kann der Staat mit politischen Instrumenten gegensteuern. So senkt die Zentralbank die Zinsen, um den Konsum zu befeuern. Der Staat versucht hingegen, die Konjunkturschwankungen durch Maßnahmen wie Steuersenkungen oder Beschäftigungsprogramme abzufedern. Darüber hinaus kann die Regierung den Unternehmen und Verbrauchern Geld zur Verfügung stellen oder investiert selbst Geld – beispielsweise in die Infrastruktur –, um dem Wirtschaftswachstum wieder auf die Sprünge zu helfen.

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Was die Bundesregierung gegen eine Rezession unternimmt

Die Ampel-Koalition hat auf den „Energieschock“ zeitnah reagiert und einige Entlastungspakete gegen die hohen Energiepreise geschnürt. Gemeint sind beispielsweise die Einmalzahlungen an die Bevölkerung oder die Gaspreisbremse für private Haushalte, kleine und mittlere Unternehmen und industrielle Verbraucher. Darüber hinaus sollen finanzielle Rettungsschirme für Unternehmen aufgespannt werden. Zudem soll viel Geld in die Hand genommen werden, um unter anderem die Wirtschaft zu unterstützen: So sind beispielsweise für den Bereich Wirtschaft und Klimaschutz rund 13 Milliarden Euro vorgesehen. Knapp die Hälfte davon entfallen auf Innovationen, Technologie und neue Mobilität (5,19 Milliarden Euro). Für die Digitalisierung sind 1,11 Milliarden Euro vorgesehen. Ein Sondervermögen für das Militär von 100 Milliarden Euro wurde ebenfalls bereitgestellt. Auch die Zentralbank ist aktiv geworden. Trotz der schwachen Konjunktur hat die EZB entschieden, die Zinsen mehrfach zu erhöhen, um die Inflation abzumildern und die Kaufkraft der Konsumenten zu stabilisieren.

Was bedeutet eine Rezession für Anleger?

Die Aussicht auf eine milde und kurze Rezession sollte Fonds- und Aktienbesitzer positiv stimmen. Aber es darf nicht vergessen werden, dass gerade jetzt eine gute Strukturierung des Vermögens, eine breite Streuung und eine kluge Titelauswahl besonders wichtig sind. Denn nicht alle Werte sind von einem Konjunkturabschwung gleichermaßen betroffen. Unternehmen aus beispielsweise den Bereichen Lebensmittel oder Medizin haben relativ konstante Gewinnerwartungen – in guten wie in schlechten Zeiten. Die Auswahl der Unternehmen ist ein komplexes Thema. Anleger, die sich nicht auf die Suche nach möglichen rezessionsresistenten Unternehmen machen möchten, können dies auch einem Profi überlassen – und zum Beispiel in einen aktiv gemanagten Investmentfonds anlegen. Ihr Berater aus der genossenschaftlichen Bankengruppe berät sie gern dazu.

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