Das Erben von Immobilien wird teurer
Mittwoch, 08.03.2023

Das Erben von Immobilien wird teurer

Die Finanzämter berechnen den Wert von Immobilien neu

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Eine halbe Million Euro – so viel kann der Ehepartner eines Verstorbenen steuerfrei erben. Das hört sich viel an. Gehören aber Immobilien zur Erbmasse, sind die Freibeträge künftig schneller als bisher ausgeschöpft. Da sich seit 2004 in Deutschland die Preise von Immobilien fast verdoppelt haben, sollen bei der Berechnung der Erbschaftsteuer nun realistischere Werte angesetzt werden. Mit der Neubewertung kann der steuerliche Wert einer Immobilie erheblich wachsen und damit auch die Höhe der zu zahlenden Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer. Hier wird zusammengefasst, welche Faktoren den Anstieg verursachen. Beispiele zeigen, um wie viel höher die Steuer bei Erbschaft oder Schenkung im Vergleich zu den Vorjahren ausfallen könnte.

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Freibeträge und Steuerklassen bleiben wie gehabt

Erben sind verpflichtet, dem Finanzamt innerhalb von drei Monaten zu melden, dass eine Immobilie geerbt wurde. Das Finanzamt ermittelt dann den steuerlichen Immobilienwert, den sogenannten Verkehrswert. Es muss allerdings nicht der gesamte Wert des Erbes versteuert werden. Hier kommen unverändert die Freibeträge ins Spiel: Ehepartner und eingetragene Lebenspartner können beispielsweise 500.000 Euro steuerfrei erben, Kinder und Stiefkinder 400.000 Euro, Enkel 200.000 Euro, Eltern und Großeltern 100.000 und alle anderen Erben 20.000 Euro. Überschreitet der Wert der Immobilie den Freibetrag, muss der Betrag oberhalb dieser Grenze versteuert werden. Die Steuersätze hängen ebenfalls vom Verwandtschaftsgrad ab und erhöhen sich mit dem Wert der Erbschaft oder Schenkung.

Wertermittlung nach Standardverfahren

Immobilien werden vom Finanzamt nach typisierten Verfahren bewertet. Die gängigsten Bewertungsverfahren bei der Wertermittlung sind das Vergleichsverfahren, das Sachwertverfahren und das Ertragswertverfahren. Das Vergleichsverfahren kommt zum Einsatz, wenn es direkt vergleichbare Immobilien gibt. Der Wert orientiert sich dann an den Preisen, die ähnliche Grundstücke oder Immobilien in der Umgebung erzielt haben. Beim Sachwertverfahren werden Grundstückswert und Gebäudesachwert getrennt bewertet. Das Verfahren wird häufig bei Ein- und Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen angewandt oder für Immobilien, für die keine direkten Vergleichswerte vorliegen. Das ist der Fall, wenn es sich beispielsweise um eine alleinstehende Immobilie handelt. Hier werden die Normalherstellungskosten eines Gebäudes, die Bausubstanz beziehungsweise das Alter, der Bodenrichtwert und die Marktsituation berücksichtigt. Das Ertragswertverfahren hingegen stellt die Erträge, den Bodenwert und die wirtschaftliche Restnutzungsdauer der Immobilie in den Fokus. Zur Anwendung kommt es bei renditeorientierten Immobilienarten wie beispielsweise Mehrfamilien- oder Geschäftshäusern und Gewerbeimmobilien. Die drei Verfahren zur Immobilienbewertung unterscheiden sich also in der Herangehensweise. Während das Vergleichsverfahren bleibt, wie es war, wurden die Berechnungsansätze der beiden zuletzt genannten Verfahren mit Beginn des Jahres 2023 verändert.

Die Altersminderung sinkt

Wenn das geerbte Haus schon älter ist, wird ein Teil des Wertes abgezogen. So müssen Erben beispielsweise nur 50 Prozent des Verkehrswertes versteuern, wenn das Haus bereits die Hälfte der Gesamtnutzungsdauer hinter sich hat. Dabei wird ein sogenannter Alterswertminderungsfaktor ermittelt, der dem Verhältnis der Restnutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer entspricht. Bisher wurde davon ausgegangen, dass eine Immobilie 70 Jahre lang genutzt wird. Die Gesamtnutzungsdauer wurde nun auf 80 Jahre erhöht. Ab 2023 verliert eine Immobilie also weniger schnell an Wert. Bei einer beispielhaften Immobilie, die zum Erbfall 20 Jahre alt ist und einen Herstellungswert von 300.000 Euro hat, steigt der Verkehrswert durch die Änderung um 10.700 Euro. Die reduzierte Alterswertminderung ist also eher eine kleine Wertsteigerung im Vergleich zu den nun folgenden Änderungen, die seit Anfang 2023 gültig sind. Hier ein Beispiel*:

Der Sachwertfaktor steigt

Eine gravierende Veränderung gibt es beim Sachwertfaktor. Mit diesem Faktor wird der Wert einer Immobilie multipliziert. Er hängt vom aktuellen Immobilienmarkt ab und wird daher auch gerne Marktanpassungsfaktor genannt. Der Sachwertfaktor wurde nun rund 0,4 Punkte erhöht, um die Entwicklung der letzten Jahre auf dem Immobilienmarkt abzubilden. Das hört sich nach einer geringen Anhebung an. Wird aber nachgerechnet, kann der Unterschied zum Vorjahr einige Hunderttausend Euro an Wertaufschlag ausmachen. Bleiben wir beim obigen Beispiel und gehen von einem Faktor von 1,5 aus, weil das Haus sehr gepflegt ist und in einem beliebten Viertel steht: Das Haus wird nun mit den 80 Jahren Gesamtnutzungsdauer und dem angehobenen Sachwertfaktor um 241.770 Euro höher bewertet als noch im letzten Jahr*.

Ein Regionalfaktor wurde eingeführt

Es wird davon ausgegangen, dass sich in wirtschaftlich boomenden Gegenden auch der Immobilienmarkt entsprechend entwickelt. Mit dem Regionalfaktor sollen ab diesem Jahr auch die regionalen Unterschiede wie beispielsweise die Höhe der Baukosten in die steuerrelevante Immobilienbewertung einbezogen werden. In besonders gefragten Gegenden kann also im Sachwertverfahren ein zusätzlicher Aufschlag bei der Wertermittlung hinzukommen. Dieser Faktor wird mit dem Herstellungswert multipliziert. In Hamburg beispielsweise liegt der Regionalfaktor momentan bei 1,75 Punkten, in München bei 1,52 Punkten. Angenommen das Beispielhaus, das einen Herstellungswert von 300.000 Euro hat, steht in München. Dann wird das Haus um zusätzliche 156.000 Euro höher bewertet*.

Werden bei der Berechnung gleichzeitig ein Regionalfaktor und ein Sachwertfaktor angewandt, wird das Musterhaus um fast 400.000 Euro höher bewertet als noch im letzten Jahr*.

Zwei Werttreiber im Ertragswertverfahren

Beim Ertragswertverfahren für vermietete Immobilien wurde der Liegenschaftszins herabgesetzt. Der Zins beschreibt das Verhältnis zwischen Kaufpreis der Immobilie und den künftig zu erwartenden Einnahmen. Hier gilt: Je niedriger dieser Zins, umso höher der Immobilienwert. Zudem werden auch die Bewirtschaftungskosten nicht mehr pauschal berücksichtigt, sondern jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst, um die Bewertung stärker an der Entwicklung des Immobilienmarkts auszurichten. Da jetzt nicht mehr veraltete Mittelwerte zugrunde gelegt werden, kann sich auch hier eine höhere Immobilienbewertung ergeben.

Höherer Wert – höhere Steuern

Ein angehobener Verkehrswert wirkt sich in manchen Fällen mehrfach auf die Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus. Denn damit wird es zum einen wahrscheinlicher, dass die Erben den Freibetrag überschreiten. Zum anderen kann das höher veranschlagte Erbe zu einem höheren Steuersatz führen. Auch hier wieder eine Musterrechnung mit den Faktoren, die maximal zur Anwendung kommen könnten. Angenommen das Beispielhaus aus München wird von den Eltern an ein Einzelkind vererbt. Der Erbe müsste dann allein für die Immobilie voraussichtlich mit einer Erbschaftsteuer in Höhe von rund 118.000 Euro rechnen, das wären um die 93.000 Euro mehr als noch im Jahr 2022. Mit dem Wert der Immobilie steigt auch der Steuersatz*.

Ausnahmen bei der Erbschaftsteuer

Während Barvermögen und andere Sachwerte immer auf den Freibetrag des Erbes angerechnet werden, können Immobilien bei der Berechnung ausgeschlossen und komplett steuerfrei vererbt werden. Allerdings gilt das nur für die Ehepartner und Kinder des Verstorbenen, der das Haus zuvor selbst bewohnte. Diese Steuerfreiheit ist aber an Bedingungen geknüpft: Der Erbe muss in der Immobilie bereits wohnen oder innerhalb von sechs Monaten nach der Erbschaft einziehen, seinen ständigen Wohnsitz dort anmelden und mindestens zehn Jahre in der Immobilie wohnen bleiben. Aber Achtung: Wer früher auszieht oder das Haus vor Ablauf der Frist verkauft, muss die Erbschaftsteuer nachzahlen. Es sei denn, dem Erben ist es aus triftigen Gründen nicht möglich, das Haus selbst zu nutzen. Dann bleibt die Steuerbefreiung gültig. Erben Kinder ein Haus, ist allerdings die Wohnfläche begrenzt, die steuerfrei übernommen werden kann: Wenn die Wohnung oder das Haus mehr als 200 Quadratmeter groß ist, fließen die Mehrquadratmeter in die Steuerberechnung mit ein. Bei vermieteten Immobilien werden übrigens nur 90 Prozent des ermittelten Verkehrswerts für die Erbschaftsteuer herangezogen.

Was tun, wenn der Erbe sich die Steuern nicht leisten kann?

Wenn die Erbschaftsteuer nur gezahlt werden kann, indem das Haus verkauft wird, gewährt das Finanzamt den Erben in der Regel eine Stundungsfrist von zehn Jahren. Außerdem kann die Berechnung des Finanzamtes tatsächlich zu hoch ausfallen. Wenn der Erbe also der Meinung ist, dass der Marktwert des Hauses niedriger ist, als vom Finanzamt errechnet, kann er Einspruch einlegen. In diesem Fall muss er allerdings ein Gutachten vorlegen, das den geringeren Wert belegt.

Hinweise zu den Berechnungen

Hinweise zu den Berechnungen

* Die Berechnungen dienen als Beispiel und sind vereinfacht dargestellt. Die Vorschriften im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) zum Vererben von Immobilien sind sehr ausführlich und komplex. Deshalb ist es ratsam, die Hilfe eines professionellen Steuerberaters in Anspruch zu nehmen.

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